Modul III: Externe Tagesstruktur

Das III. Modul im Hilfesystem des St. Leo-Stiftes umfasst das Angebot einer externen Tagesstruktur für alkoholabhängige Menschen, die nicht mehr in unseren besonderen Wohnformen betreut werden müssen, sondern in ihren eigenen Wohnungnen leben. men usw.) Dort haben sie allerdings keine Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen, keine Tagesstruktur oder irgendwelche anderen Alternativen, um den Tag selbständig und erfüllt gestalten zu können.

Unsere externe Tagesstruktur ist also für alkoholabhängige Menschen gedacht, die in den Bereichen der Arbeitsintegration, der Beschäftigung und der Tagesstrukturierung Hilfe benötigen.

Problemstellung und Definition

Die zentralen Fragestellungen lauten: „Was machen chronisch suchtkranke Menschen eigentlich den ganzen Tag über, wenn sie nach der erfolgreichen Behandlung in eienr Langzeiteinrichtung „trocken“ und  hoch motiviert in eine eigene Wohnung gezogen sind?“ „Wie gestalten sie den Tag?“ Welche Möglichkeiten gibt es, am Arbeitsleben und damit auch am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen?“ Fernsehen? Herumsitzen? Rauchen? Sich langweilen? Vereinsamen? Weinen? Lachen? Sich wieder betrinken? Aus Frust und Langeweile? Aus Angst und Mutlosigkeit?

Das Problem ist klar: In eine eigene Wohnung gezogen und „trocken“ zu sein, ist nur ein Teil im Eingliederungshilfeprozess der Suchtkrankenhilfe. Viele Probleme fangen aber nach dem Auszug erst an: Die ungewohnte Einsamkeit, Isolation, Angst, Langeweile, die Trennung vom gewohnten sozialen Umfeld, von Mitbewohnern und Mitarbeitern, der Verlust der verlässlichen Tagesstruktur im Wohnheim usw. sind ganz eindeutig destabilisierende Momente im Ablösungsprozess. Die nach dem Auszug plötzlich fehlende Tagesstruktur und die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten haben nämlich für chronisch suchtkranke Menschen zumeist fatale Folgen, insofern ohne diese Strukturen und Gestaltungsmöglichkeiten die Grundlage für die gesamte Ritualisierung und Aufteilung des Tages in verlässliche Zeitzonen (Arbeits- und Pausenzeiten, Freizeit, Tag-Nacht-Rhythmus usw.) durch wiederkehrende Elemente und Sicherheit bietende Abläufe nicht gegeben ist. Man kann sagen: Der Großteil unserer Bewohner ist nach dem Auszug aus unserem Wohnheim nicht in der Lage, eigenständig und ohne Hilfe ihren Tagesablauf zu organisieren oder aus eigener Kraft Strukturen aufzubauen, den Lebensalltag zu gestalten.

Sie können sich nicht eigenständig um die Rahmung ihres Alltagslebens kümmern, sich Anreize oder Aufgaben suchen, Hobbies ausbauen oder allgemein ihre freie Zeit sinnvoll und bereichernd ausfüllen. Und die Erfahrung hat deutlich gezeigt, dass unsere suchtkranken Bewohner ohne externe Tagesstruktur und ohne Beschäftigungsmöglichkeiten schnell wieder in ihre alten bekannten Kreisläufe und Verhaltensmuster zurückfallen, den Tag sinn- und ziellos verstreichen lassen, den Tag-Nacht-Rhythmus verlieren (also tagsüber im Bett liegen und des Nachts schlaflos umherziehen), die Zeit „totschlagen“, herumsitzen und nicht wissen, was zu tun ist, unter Langeweile und Ziellosigkeit leiden und derart nach und nach physisch, psychisch, intellektuell und sozial dekompensieren, um dann (verständlicherweise) nach Möglichkeiten zu suchen, diesen Zustand der Langeweile, Sinnlosigkeit und Einsamkeit zu mildern. Der erneute Griff zur Flasche, der Versuch, das Leiden, die Traurigkeit, die Angst, die Isolation und das Gefühl des Ausgestoßenseins wenigstens kurzfristig nicht mehr spüren zu müssen, scheint aus der Perspektive des Suchtkranken nachvollziehbar und verständlich.

Man kann das auf den Punkt bringen: Wer nicht arbeitet, wer nichts tut, wer nichts schafft, wer sich mit nichts beschäftigt, wird orientierungslos, traurig, sinnentleert, einsam, perspektivlos und letztlich rückfällig.

Bedarfsgruppe und Voraussetzungen

Unsere jahrelangen Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade unsere Rentner große Schwierigkeiten mit der fehlenden Tagesstruktur und der damit verbundenen Einsamkeit haben. Rentner werden nicht im Rahmen von Arbeitsmaßnahmen der Arbeitsagenturen oder Jobcenter versorgt. Es gibt weder Weiterbildungsmaßnahmen noch Fortbildungen oder Umschulungen oder andere Integrationsinstrumente. Wenn man sich als Rentner nicht selbst um einen Job kümmern kann, steht man alleine da.

Das Angebot der externen Tagesstruktur richtet sich also vor allem an Bewohner, die unsere Langzeiteinrichtung nach erfolgreicher Behandlung (siehe Modul I) verlassen haben und in einer eigenen Wohnung ihr Leben möglichst eigenverantwortlich organisieren wollen, aber keine Beschäftigungsmöglichkeiten und keine Hilfen bei der Strukturierung ihres Alltages haben. Es handelt sich dabei also um die ehemaligen Bewohner unseres Langzeitwohnheimes, die in Kombination mit der ambulanten Wohnbetreuung in der Übergangsphase zwischen Wohnheim und eigener Wohnung mit tagesstrukturierenden Angeboten versorgt werden müssen.

Erwerbsunfähigen Rentner, die keinen Anspruch mehr auf die Versorgungs- und Betreuungsmöglichkeiten durch die Arbeitsämter bzw. Jobcenter haben und demnach weder in Trainings-, Umschulungs- oder Arbeitsvermittlungsmaßnahmen noch in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) integriert werden können, unterscheiden sich also im Hilfebedarf ganz wesentlich von den erwerbsfähigen Klienten, die mit tagesstrukturierenden Maßnahmen und Beschäftigungsangeboten, Bewerbungstraining, Maßnahmen der Wiedereingliederung, Berufspraktika, Probearbeitsmaßnahmen, Vermittlungen durch den Integrationsfachdienst oder durch Jobvermittler usw. versorgt werden können.

Zusammengefasst: Derjenige, der nach der Eingliederungshilfe-Maßnahme im St. Leo-Stift als Arbeitsloser bzw. Arbeitssuchender gewissermaßen „automatisch“ (und zwar spätestens mit der Beantragung des Arbeitslosengeldes bzw. der sog. Hartz-IV-Leistungen) in die Beratungs- und Vermittlungsstrukturen der Arbeitsämter und Jobcenter eingebunden wird, wird versorgt. Derjenige aber, der als erwerbsunfähiger Rentner auf diese Beratungen und Vermittlungen keinen Anspruch hat, ist nicht versorgt. Derart fokussiert unser Angebot der externen Tagesstruktur vor allem erwerbsunfähige Rentner, die aus unserer Langzeiteinrichtung ausziehen und ihr Leben möglichst eigenständig organisieren wollen.

Die Möglichkeit, unser Angebot der externen Tagesstruktur in Anspruch nehmen zu können, setzt eine zuvor notwendige Hilfebedarfsfestellung (B.E.Ni) in Kooperation mit dem Eingliederungshilfeträger (Sozialamt)  voraus, in der der individuelle Hilfebedarf, der Umfang der Hilfestellungen, die Methoden, die Dauer der Leistungen usw. geklärt und vereinbart werden. An der Hilfeplanung wirken alle an der Hilfe beteiligten Personen mit (Angehörige, Betreuer, Fachkräfte usw.). In der Regel werden alle Klienten, die das Angebot der externen Tagesstruktur wahrnehmen, zusätzlich durch unsere ambulante Wohnassistenz versorgt, da sich gezeigt hat, dass diese beiden „Säulen“ der Nachsorge (ambulante Wohnassistenz und Beschäftigungsangebote) in ihrer Kombination ganz entscheidende Elemente für den weiteren Verlauf der erfolgreichen Eingliederung in das „normale Leben“ sind und die Prognose für eine langfristige Alkoholabstinenz deutlich verbessern.

Ziele

Die jahrzehntelange Arbeit mit alkoholkranken Menschen hat uns gezeigt, dass eine verlässliche Tagesstruktur mit entsprechenden Beschäftigungs- und Arbeitsangeboten in Kombination mit einer professionellen aufsuchenden Hilfe in Form einer suchtspezifisch ausgerichteten ambulanten Wohnassistenz entscheidend dazu beitragen kann, die Abstinenzmotivation von chronisch Suchtkranken dauerhaft zu erhalten. Man steht auf, man „macht sich fertig“, bereitet sich auf die Arbeit vor, man weiß, was man zu tun hat, man geht zur Arbeit, man erledigt verschiedene Dinge, man kommt dann von der Arbeit wieder nach Hause, man genießt die freie Zeit, erledigt die normalen Dinge des Alltages, kauft ein, wäscht ab usw. Man fühlt sich „gebraucht“ und „geachtet“, man hat das Gefühl, etwas zu leisten und etwas Sinnvolles zu tun, man hat keine Langeweile, man trifft auf andere Menschen, es ergeben sich soziale Beziehungen, Bindungen, Freundschaften, man ist nicht alleine, man kann sich austauschen usw.

Im Kern bedeutet dies: Eine verlässliche und stabile Strukturierung des Alltages erhöht in Form ihrer psychosozialen Effektketten ganz wesentlich die Chance für eine dauerhafte Lebenszufriedenheit und damit
für eine dauerhafte Alkoholabstinenz. Und das ist das langfristige Ziel jeder Art von Suchtkrankenhilfe.

Angebote

Die Angebote im Bereich des III. Moduls unseres Hilfesystems umfassen alle tagesstrukturierenden Elemente und Arbeitsmöglichkeiten, die zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Lebensalltages notwendig sind. Dazu gehören feste Vereinbarungen, Regeln, Absprachen und Planungen, die in ihrer Gesamtheit ein ´alltagspraktisches Grundgerüst´ aus Sicherheit und Verlässlichkeit für unsere Betreuten bildet. Die Angebote sind immer auf den Einzelfall zugeschnitten und sind immer nur als „Übergangslösung“ gedacht, d.h. bis eine alternative Beschäftigung oder ein anderes verlässliches Tagesstrukturangebot gefunden wurde.

Wir haben nur ganz wenige Plätze im Rahmen der externen Tagesstruktur zu vergeben und jeder Platz muss individuell mit dem jeweils zuständigen Träger der Eingliederungshilfemaßnahme besprochen werden.

Tagesstruktur und Beschäftigungsmöglichkeiten

Wir bieten im Rahmen der externen Tagesstruktur viele verschiedene Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die auf den jeweiligen Hilfebedarf der einzelnen Klienten zugeschnitten werden können. Die Arbeiten und Tätigkeiten werden dabei stetig weiterentwickelt. Wir erfinden gewissermaßen mit den Bewohnern zusammen Tätigkeiten und Arbeiten, und versuchen derart, speziell für bestimmte Störungsbilder geeignete Arbeiten zu schaffen, um optimal auf die noch vorhandenen Fähigkeiten und Stärken der einzelnen Bewohner eingehen zu können. Die Hauptquelle der Arbeit liegt in unserer großen Werk- und Montagehalle, in der Sortier- und Verpackungstätigkeiten angeboten werden.

Die Montagehalle bietet unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von Tätigkeiten, verschiedene Arbeitsabläufe mit verschiedenen Materialien und Stoffen. Die Arbeit ist abwechslungsreich, findet in kleinen Gruppen statt, es gibt Anleitungsgespräche und Diskussionsrunden usw.

 

 

Für „schwächere“ Bewohner mit stärker ausgeprägten Störungen steht eine zweite Werkhalle zur Verfügung, in der Bastel- und Kreativarbeiten mit unterschiedlichsten Materialien (Pappe, Holz, Metall, Ton, Beton, Stein usw.) angeboten werden. Hier finden wir das klassische, ergotherapeutische Setting.

 



Zudem haben wir Arbeits- und Beschäftigungsplätze in der Spülküche, in den Gartenanlagen, im Bereich der Haustechnik und Hausmeisterei sowie in unserem Waschhaus. Renovierungsarbeiten wie malen, tapezieren, dämmen, aufräumen, spachteln usw. sind beliebte Tätigkeiten bei unseren Klienten.



Dokumentation

Auch im Bereich der externen Tagesstruktur ist die Dokumentation der einzelnen Hilfen ein wichtiger Bestandteil im Hinblick auf die individuelle Hilfeplanung. Die fortlaufende Einsatzdokumentation und die regelmäßigen Zwischenberichte ermöglichen eine entsprechende Beobachtung des Hilfeprozesses und somit Interventionsmöglichkeiten (z.B. Veränderung der Hilfeplanung, Abbruch der Maßnahme o.Ä.). Die Daten werden im Bereich der externen Tagesstruktur – wie im stationären Setting auch – mit dem C&S Pflegemanager, einem Modulsystem für die Erfassung spezifischer Datenbereiche (Sozialdaten, Medikation, ärztliche Verordnungen, Krisen, Abwesenheiten usw.) erfasst. Die einzelnen Teilbereiche der Einrichtung (Hauptstation, Wohnbereiche, Außenwohnanlagen, Büros, Verwaltung usw.) sind über einen zentralen Server miteinander vernetzt. Es gibt ein hausinternes eMail-System, das es ermöglicht, Informationen in Sekundenschnelle untereinander auszutauschen und die einzelnen Wohn- und Arbeitsbereiche über aktuelle Ereignisse o. Ä. zu benachrichtigen.


Personal und Betreuungsschlüssel

Im Rahmen der externen Tagesstruktur werden die Klienten von speziell für die Bereiche „Arbeit und Beschäftigung“ geschulten Mitarbeitern betreut und begleitet. Wir arbeiten in diesem Bereich mit Ergotherapeuten, Handwerkern und ausgebildeten Arbeitsanleitern. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:14.