Modul II: Ambulante Wohnassistenz

Das II. Modul unserer Langzeiteinrichtung umfasst ein relativ hochschwelliges Hilfsangebot für alkoholabhängige Menschen in Form eines aufsuchenden Dienstes, der Lebenshilfe und -beratung im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe zur Förderung der selbständigen Lebensführung von Menschen leistet.

Notwendige Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der ambulanten Hilfe ist einerseits eine grundsätzlich ausreichende Fähigkeit des Klienten, den überwiegenden Teil des Lebensalltages selbständig meistern zu können und andererseits der Wunsch, „trocken“ bleiben zu wollen.

Die grundlegende Frage im Rahmen der Wohnassistenz ist dabei keine neue: „Wo und wie können chronisch alkoholabhängige Menschen möglichst eigenständig, leben, die kzwar eine engmaschige Betreuung in einem Wohnheim mehr benötigen, aber so wenig soziale Kontakte und Anbindungen haben, dass ein Rückfall bereits direkt mit dem Auszug aus dem Wohnheim vorprogrammiert ist. Es ist einfach so: Der Großteil der suchtkranken Patienten, die aus unserer Einrichtung in eine eigene Wohnung ziehen, fällt ohne ergänzende Hilfe oder ohne Nachsorge innerhalb kürzester Zeit wieder in die pathologischen Verhaltensmuster und den altbekannten „Teufelskreis“ von Rückfall, Entgiftung, Entlassung, erneuter Rückfall, erneute Klinikeinweisung usw. zurück.

Das wollen wir verhindern.

Definition der Wohnassistenz für alkoholabhängige Menschen

Die ambulante Wohnassistenz ist ein aufsuchendes Hilfsangebot zur Förderung der selbständigen Lebensführung und gesellschaftlichen Integration suchtkranker Menschen im Rahmen der Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte. Sie stellt ein ergänzendes Angebot zu bereits bestehenden Hilfeleistungen im Versorgungssystem für Suchtkranke dar.

Die Wohnassistenz ist eine ambulante Betreuungsform zur sozialen Eingliederung von Menschen, die überwiegend seelisch behindert oder von dieser Behinderung bedroht sind, mit dem Ziel, die Fähigkeiten von suchtkranken Menschen zu erhalten und zu stärken, um ihnen zu ermöglichen, ein möglichst selbständiges Leben in der Gemeinschaft zu führen.

Bedarfsgruppen

Die ambulante Wohnassistenz wurde einerseits für alkoholkranke Menschen eingerichtet, die zwar ganz alleine und ohne Untertützung in ihrern eigenen Wohnungen nicht mehr zurechtkommen, aber trotzdem noch keine „stationären“ Hilfsangebote benötigen (z.B. Wohnheim, Pflegeheime o.ä.). Anderseits ist das Angebot für die Alkoholpatienten, die im Anschluss an unsere „stationäre“ Maßnahme wieder selbständig in einer eigenen Wohnung leben wollen und dabei professionelle Unterstützung benötigen.

Die ambulante Wohnassistenz ist also gleichermaßen ein „Nachsorgeangebot“ als auch ein Hilfsangbote, um eine „stationäre“ Maßnahme in einer Langzeiteinrichtung zu verhindern.

Beide Bedarfsgruppen sind insgesamt wenig belastbar und leicht überfordert. Beiden fehlt oft eine stabile soziale Anbindung. Beide sind vor allem mit administrativen Aufgaben überfordert (Anträge, Finanztransfers, Durchsetzung von Leistungsansprüchen, Schuldenregulierung usw.). Beide haben zumeist ein sehr geringes Frustrationstoleranzniveau und sind damit einer relativ hohen Rückfallgefährdung in Krisensituationen ausgesetzt usw.

Beide Bedarfsgruppen haben jedoch neben ihren Fähigkeitsdefiziten auch eine Menge Ressourcen im Rahmen physischer, psychischer und intellektueller Kräfte, die mit professioneller Hilfe nicht nur gestützt und manifestiert, sondern vor allem auch weiterentwickelt und ausgebaut werden können. Diese Ressourcen könnten in vielen Fällen eine weitgehend eigenständige Lebensgestaltung unabhängig von stationären Hilfen ermöglichen. In beiden Zielgruppen sind beispielsweise viele Betroffene durchaus fähig, mit professioneller Unterstützung Behördenangelegenheiten zu regeln oder adäquat auf Schuldenforderungen zu reagieren, Ratenzahlungen zu vereinbaren und diese auch einzuhalten.

Es ist durchaus realistisch, dass viele mit anfänglich professioneller Hilfestellung nach und nach ihren Tag eigenständig gestalten, Arbeitsabläufe planen, alltägliche Aufgaben selbständig bewältigen können usw.

Voraussetzungen und Kontraindikationen

Die entscheidende Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Angebotes der ambulanten Wohnbetreuung ist die Zustimmung des Betroffenen, die Alltagsbewältigung und die Lebensziele auf der Basis einer selbstgewählten Suchtmittelabstinenz bestreiten zu wollen, d.h. eine ernsthafte und verbindliche Mitwirkung an der Hilfeplanung und Umsetzung von Zielvereinbarungen.

Anders gesagt: Wer ambulant betreut werden möchte, muss dauerhft nüchtern und „trocken“ bleiben wollen. Wer das nicht möchte, wer sein Feierabend-Bierchen weiterhin trinken möchte, wer zwischenzeitlich Party machen und sich mit seinen Kumpeln betrinken möchte o.ä. kann nicht im Lebensalltag von uns begleitet werden. Wir unterstützen kein „betreutes Trinken“.

In einem verbindlichen Vorgespräch (Bedarfsermittlung) wird mit dem Träger der Eingliederungshilfe (Sozialamt) der individuelle Hilfebedarf geklärt. Dabei muss die grundsätzliche Fähigkeit und Motivation des Hilfesuchenden zur lebenspraktischen Selbstorganisation und Alltagsbewältigung als mindestens ausreichend für diese Art der Hilfe erscheinen. Es wird also geklärt, ob eine ambulante Hilfe überhaupt für den jeweiligen Hilfesuchenden geeignet erscheint, ob die Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen der Sozialhilfebestimmungen erfüllt sind usw.

Die der Maßnahme vorgeschaltete Hilfeplanung hat somit gewissermaßen die Funktion des „clearings“, das vor allem der Feststellung des Hilfebedarfes auf Grundlage von individuellen Fähigkeitsdefiziten und der Motivation des Hilfesuchenden dient. Das entsprechende Verfahren heißt „Bedarfsermittlung“ (B.E.Ni.).

Ausschlusskriterien für die ambulante Eingliederungshilfe sind von vornherein eine intensive Pflegebedürftigkeit und pflegebedürftige Körperbehinderungen sowie schwere psychische Erkrankungen (Suizidalität, Psychose).

Betreuungsziele

Primäres Ziel des Hilfeangebotes der ambulanten Wohnbetreuung ist die Vermeidung von (erneut) vollstationären Maßnahmen (ständige Entgiftungen, Klinikaufenthalte, Notwendigkeit der Wohnheimunterbringung usw.) durch ambulante Hilfen direkt vor Ort und damit eine Verbesserung der Lebensqualität für suchtkranke Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung mit den Anforderungen der Bewältigung alltäglicher Probleme ganz offensichtlich überfordert sind, und zwar mit den Schwerpunkten der Sicherung des möglichst gesunden Überlebens, der körperlichen, psychischen und sozialen Stabilisierung des Betroffenen auch in Problemlagen, der Vermeidung von Drogenmissbrauch in Krisensituationen (Rückfallprophylaxe) und der Förderung der Erwerbsfähigkeit bzw. Beschäftigung und selbständiger Tagesstrukturierung.

Das Angebot soll somit durch gezielte Betreuung eine bereits vorhandene Abstinenzmotivation unterstützen und den Suchtkranken langfristig soweit wie möglich von fremder Hilfe unabhängig zu machen. Sekundäre Ziele sind die dauerhafte Abstinenz durch soziale Integration, die eigenständige Problembewältigung des Alltags ohne fremde Hilfe und schließlich die langfristigen Unabhängigkeit von stationären und ambulanten Hilfen.

 

Aufgabenbilder der Wohnassistenz

Die direkten Betreuungsleistungen werden erbracht durch Informationsvermittlung und Belehrung, Bedarfsklärung, Beratung, Erklärung, Motivation und Anregung, Assistenz und Hilfestellung, Anleitung und Unterrichtung, Begleitung, Unterstützung, teilweise Übernahme, stellvertretende Durchführung von Tätigkeiten, Vermittlung, Koordination und Organisation.

Hinzu kommen indirekte Betreuungsleistungen, wie Anamnese, Bedürfniswahrnehmung, Hilfeplanung, Dokumentation, Koordination, Kooperation mit medizinischen und fachärztlichen Regelversorgungssystemen, Unterstützung von Selbsthilfeansätzen, Angehörigenarbeit, allgemeine Verwaltungsarbeit, Verknüpfung und Koordination zu regionalen Versorgungsstrukturen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Aufgabengruppen für die Wohnassistenz darstellen:

  • Wohnen und Haushaltsführung
  • Wirtschaftliche und sozialhilferechtliche Einzelfallhilfen
  • Psychosoziale Begleitung im Lebensalltag
  • Unterstützung in der Gesundheitssorge
  • Unterstützung im Bereich der sozialen Integration und Teilhabe
  • Hilfen bei der Tagesstruktur
  • Unterstützung im Bereich „Arbeit und Beschäftigung“
  • Hilfen bei der sinnvollen Freizeitbeschäftigung
  • Unterstützung im Bereich von sozialen Kontakten
  • Dokumentation